„Wir Menschen gelten als vernünftige Wesen, wer das behauptet, ist nie Mensch gewesen“ – 10B bei Molières Der Menschenfeind

Am 10. Dezember begaben sich insgesamt 20 erwartungsfrohe Schülerinnen und Schüler der Klasse 10B zur brechtbühne im Gaswerk, um Molières Schauspiel Der Menschenfeind in der Inszenierung André Bückers zu besuchen.

Und sie wurden nicht enttäuscht! So beeindruckten neben der schauspielerischen Leistung um Kai Windhövel als Alceste die Verbindung realen Theatergeschehens mit der Gegenwart des Social Media: Während sich in der blauen Lounge Célimènes ein lächerlicher Hofstaat den Sehnsüchten resp. Süchten von Entgrenzung durch ekstatische Partys hingibt, die Sehnsüchte aber – beinahe romantisch – nie Erfüllung ermöglichen, verlaufen parallel im extra durch das Staatstheater eingerichteten sozialen Netzwerk Molusk, einer Zusammensetzung aus Molière und Musk, Kommentare zum Geschehen auf und „hinter“ der Bühne. Eines bleibt dabei gleich: Es ist die Welt des Scheins, nicht des Seins. Und in diese Welt passt der selbsternannte Misanthrop Alceste nicht hinein. Willibald Spatz von nachtkritik.de resümiert „brutalste Gegenwart“, denn er herrscht „Stress, der schöne Schein, die Währung Aufmerksamkeit“[1].

Der Thematik des Werks konnten die Schülerinnen und Schüler erfolgreich folgen, sie erkannten, wie sich auch durch den gemeinsamen Austausch zeigte, dass Menschen und Motive überzeitlich sind. Am Ende blieb für die angetanen Besucher jedenfalls die Frage, wer der größere Verlierer ist: Die kühle, aber stets feiernde Femme fatale Célimène, gespielt von Mirjana Milosavljević, die wegen ihrer eigenen Selbstdarstellung und des aufkommenden Shitstorms am Ende isoliert verbleibt, oder die einzelnen Männer, die in ihr immer nur das sehen, was sie in ihr auch sehen wollen. Letzteres vollzieht auch der sonst so vernünftige Alceste. Jedenfalls scheitert er ebenso an den eigenen Prinzipien wie Célimène.

Man wünscht den Figuren Lösungen, Korrektur. Diese kommen aber nicht zustande, nicht einmal, als der von Klaus Müller verkörperte Oronte beim Vortrag seines Sonetts „Hoffnung“ auf die Notizen am Mobiltelefon zurückgreift, welche aber den Sinn verdrehen, statt zu generieren: „Was steht hier nur? Das ist die Autokorrektur.“ Brücker Inszenierung zeigt nicht nur die Zeitlosigkeit Molières, sondern auch der aktuellen Gesellschaft den Spiegel vor.

Abgerundet wurde der gelungene Abend durch ein anschließendes gemeinsames Abendessen in BOB’S Fast & Slowfood Oberhausen.

Dominik Koch

[1] https://nachtkritik.de/nachtkritiken/deutschland/bayern/augsburg/staatstheater-augsburg/der-menschenfeind-staatstheater-augsburg-in-andre-bueckers-inszenierung-wird-molieres-text-zur-party-mit-anschliessendem-kater.