DDR-Zeitzeuge berichtet über Flucht in die Botschaft in Prag

Über seine abenteuerliche Flucht in die Bundesdeutsche Botschaft in Prag im Herbst 1989 berichtete der Zeitzeuge Jens Hase bei seinem Besuch im Ursberger Ringeisen-Gymnasium.

Als Kind habe er die DDR geliebt, erzählt Hase. Doch als ihm Berufsberater an der Schule mitteilten, dass er zwar die Noten für ein Studium habe, aufgrund der politischen Unzuverlässigkeit der Eltern sei ihm ein Studium verwehrt. In diesem Moment sei er vor allem auf seine Eltern wütend gewesen. Doch auch an dem Staat, der ihn nicht studieren ließ, begann er in diesen Tagen zu zweifeln.

Im Frühsommer 1989 war sein Vater an einem Herzinfarkt am Arbeitsplatz zusammengebrochen. Zwar konnte er sich etwas erholen, doch der Arzt, der ihn zuhause zur Nachsorge betreute, riet ihm, in den Westen zu gehen. Dort seien die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten deutlich besser als in der DDR. Daher stellten die Eltern schließlich einen Ausreiseantrag. Der wurde zwar letztlich genehmigt – binnen 24 Stunden müssten sie packen und ausreisen – doch der Sohn müsse in der DDR bleiben. Ein Schock für Hase.

Zunächst fühlte er sich hilflos. Doch als er eines Abends in der Tagesschau – in seiner Heimat Eisenach konnte man Westfernsehen empfangen – Bilder von DDR-Bürgern sah, die in die bundesdeutsche Botschaft in Prag geflüchtet waren, reifte in ihm der Entschluss, ebenfalls in den Westen zu fliehen.

Die abenteuerliche Flucht gelingt, obwohl Hase mehrfach kurz davor ist, aufzugeben. Wochenlang harrt er mit Tausenden anderen Flüchtlingen auf dem Gelände der Botschaft aus, ehe der damalige Außenminister der Bundesrepublik Hans-Dietrich Genscher am Abend des 30. September 1989 vom Balkon des Botschaftsgebäudes den Wartenden verkündet, dass ihre Ausreise in die BRD genehmigt sei.

Hase erzählt sehr eindringlich und detailliert. Während des eineinhalbstündigen Vortrags spricht niemand im Saal. Vielen Schülerinnen und Schülern wird erstmals so richtig bewusst, wie tief die SED in das Leben der Menschen eingegriffen hat. Klar wird auch, dass das Sicherheitspersonal, Polizei, Stasi auch individuelle Spielräume für die Ausübung ihrer Macht hatten, die sie nutzen konnten, um Menschen zu quälen.

Es ist Hase ein großes Anliegen, dass die Schülerinnen und Schüler im Ringeisensaal verstehen, wie wertvoll Freiheit und Demokratie sind.