Schwester Pia zu Gast in der Klasse 8c

Eine Kindheit zwischen Schule und Feldarbeit

Laut Lehrplan Sozialkunde, 8. Klasse, Thema „Jugendliche Lebenswelten“, sollen sich die Schülerinnen und Schüler

„– über die eigene Lebenswelt hinausgehend – Bedingungen und Besonderheiten der Jugendphase und die damit verbundenen Herausforderungen [erschließen). In der Beschäftigung mit unterschiedlichen Vorstellungen und Lebenslagen Jugendlicher relativiert sich einerseits die eigene Situation und Sichtweise, verstärkt sich andererseits das Verständnis für junge Leute in anderen Lebenszusammenhängen. […] Die Schüler werten insbesondere Studien, biographische Porträts und Umfragen aus.“

Was gibt es Authentischeres, als zu diesem Lehrplan-Thema einen Zeitzeugen einzuladen, in unserem Fall eine Zeitzeugin, nämlich Schwester Pia Settele:

 


Am Donnerstag, dem 30. Januar 2020, besuchte uns in der Sozialkundestunde Schwester Pia, eine Schwester der St. Josefskongregation Ursberg. Ihr Vortrag über ihr Leben bis zu ihrem Eintritt ins Kloster berührte uns sehr. Eine Schulstunde lang nahmen wir teil an der Kindheit und Jugend der starken, freundlichen 81- jährigen Klosterschwester, damit wir besser nachvollziehen können, wie anders als heute eine Kindheit und Jugend vor 70 Jahren sein konnte.

Schwester Pia wurde 1939 in Nesselwang geboren. Sie wuchs mit ihren Eltern und ihren zwei Schwestern, sie war die mittlere, während des Zweiten Weltkrieges in Nesselwang auf. Ihre Familie besaß einen kleinen Bauernhof mit einer kleinen Schreinerei. Als der Vater im Krieg starb, war Schwester Pia gerade mal fünf Jahre alt. Ihre 35-jährige Mutter stand nun mit ihren drei Mädchen alleine da. Die Armut war vorprogrammiert, und obwohl sie selbst nur das Nötigste zum Leben hatten, nahmen sie eine Flüchtlingsfamilie auf.

Schwester Pia besuchte bis zur 5. Klasse die Volksschule in Nesselwang und ging dann auf ein Gymnasium in Füssen. Trotzdem mussten sie und ihre Schwestern der Mutter in der Landwirtschaft helfen. Schularbeiten und Hausaufgaben wurden meist abends oder während der Arbeitspausen erledigt. Viel Freizeit blieb also nicht. Urlaub war ein Wort, das sie nicht kannte.

Aufgrund ihrer Armut konnten sich die Familie nur gebrauchte Kleidung leisten und die Mädchen spielten mit einfachsten Gegenständen, wie z. B. Tannenzapfen. Trotzdem verlor Schwester Pia nie die Freude an kleinen Dingen, auch nicht in späteren Jahren. So erzählte sie zum Beispiel von ihrer riesigen Freude über einen roten Gelbbeutel, den sie zum Geburtstag bekam – für uns unvorstellbar –, nachdem sie ihren verloren hatte. Dies war für sie ein Beweis dafür, wie lieb ihre Mutter sie hatte.

Nach dem Abitur studierte sie in Augsburg, um Lehrerin an einer Sonderschule zu werden. Vor allem ein Erlebnis hatte sie dazu bewegt: Als sie während der Fahrt in einem Bus stand, bremste der Fahrer stark. Ein neben ihr stehendes, leicht behindertes Mädchen stützte sich an ihr ab. „An dir kann man sich wenigstens festhalten“, sagte das Mädchen.

Das regelmäßige Beten, das ihre Großmutter sie schon im Kleinkindalter lehrte, und der häufige Kirchgang prägten Schwester Pias Leben und beeinflussten auch ihren Entschluss ins Kloster zu gehen. Auch dabei gab es ein wegweisendes Ereignis. Auf einer Primiz erlebte sie einen jungen Priester, der glücklich über seinen Glauben sprach. Ab diesem Zeitpunkt wusste sie, dass sie ihre Freude am Glauben auch leben wollte. Sie wurde nach ihrem Studium Schwester in der St. Josefskongregation in Ursberg. Uns berührte sehr, als Schwester Pia erzählte, ihre Mutter hätte nach ihrem Eintritt in den Orden der Franziskanerinnen mit ihr „Schluss gemacht.“ Erst nach einigen Jahren akzeptierte ihre Mutter Schwester Pias Entscheidung und sagte ihr, sie hätte alles richtig gemacht.

Für uns war der Vortrag sehr informativ und interessant, weil wir anhand passender Beispiele feststellen konnten, wie anders Kinder und Jugendliche vor ca. 70 Jahren gelebt hatten. Uns imponierte dabei besonders, wie zufrieden Schwester Pia war, obwohl Armut ihr Leben bestimmte und sie wenig von dem hatte, was uns heute wichtig ist. Danke, Schwester Pia, dass sie sich Zeit genommen haben, ihre Erinnerungen mit uns zu teilen.


Schon die Auseinandersetzung mit der Shell-Jugendstudie 2019 hatte gezeigt, dass verallgemeinernde Aussagen zur Jugend kritisch zu sehen sind, da die Schülerinnen und Schüler sehr wohl auch Unterschiede zu ihrem Leben feststellen konnten. In dem an Schwester Pias Vortrag anschließenden Gespräch wurde einmal mehr klar, dass Jugend nicht gleich Jugend ist. Alle Jugendlichen zeigten sich dankbar für ihr freieres und auch von einem gewissen Wohlstand geprägtes Leben trotz einzelner Probleme, die auch sie haben.

Schülerinnen und Schüler der Klasse 8c und Paula Gärtner