Kellertheater: Alice im Wunderland

Ein großer Spaß mit echtem Tiefgang

Ein Familienfest steht bevor: Der Opa hat Geburtstag und die kleine Alice soll mit ihren Eltern hingehen. Doch sie ist davon überhaupt nicht begeistert. Mit dieser Szene begannen im Kellertheater des Ringeisen-Gymnasiums der St. Josefskongregation jüngst die Aufführungen von „Alice im Wunderland“. Das berühmte Kinderbuch von Lewis Carroll, erstmals im Jahr 1865 erschienen, gibt es in zahlreichen Film- und Theaterfassungen. Die Kurse des Faches „Theater und Film“ der 11. und 12. Jahrgangsstufe unter der Leitung von Sebastian Eberle spielten die Version von Dagmar Scherf.

Während Alice noch mit ihrem Schicksal hadert, läuft ihr ein nervöses, Selbstgespräche führendes Kaninchen über den Weg. Das ungewöhnliche Tier hat es sehr eilig. Alice ist neugierig, folgt ihm und landet im Wunderland. Dort ist alles anders: Der Wald wandert, die Blumen sprechen, Schokopizza wird mit Ketchup und Mayo kombiniert. Das Einhorn wundert sich, dass es Kinder nicht nur im Märchen gibt, während Alice darüber staunt, diesem Tier zu begegnen. Zahlreiche absurde Gestalten haben ihren Auftritt: die schlecht gelaunte Raupe, der Mops, die Grinsekatze, die Pizzaprinzessin. Jede Logik wird auf den Kopf gestellt. Was immer in der Welt draußen gilt – im Wunderland gilt das Gegenteil. Da darf es einen nicht wundern, dass der Klassiker sogar im Bundestag zitiert wird. In der Haushaltsdebatte im November 2022 kommentierte Kanzler Olaf Scholz den Beitrag des Oppositionsführers Friedrich Merz mit den Worten „Als ich Ihnen gerade zugehört habe, musste ich an Alice im Wunderland denken! […] Was eigentlich passiert ist und wer dafür verantwortlich war, das alles verschwimmt.“ Doch zurück zum Stück: Alice freundet sich mit dem Schnitzelschwein an, das sie freundlich Pinkie nennt. Das niedliche Tier leidet darunter, dass die cholerische „Königin der Herzen“ den Begriff „Schnitzeljagd“ wörtlich nimmt. Hier kann Alice helfen und der Herzkönigin und ihrem Hofstaat zeigen, wie Kinder eine Schnitzeljagd gestalten. Nach ihrem Treffen mit dem Einhorn verlässt Alice schließlich das Wunderland und kommt rechtzeitig zu Opas Geburtstagsfeier.

Die Schauspielerinnen und Schauspieler der beiden Kurse stellten einen wunderbaren Klamauk mit echtem Tiefgang auf die Beine. Man spürte die Freude an der Absurdität, am Wortwitz und am Überraschungsmoment. All die schrägen Rollen wurden mit Leben gefüllt und das Publikum hatte viel Spaß. Doch „Alice im Wunderland“ – auch das wurde deutlich – ist mehr als ein fantasievolles Stück für Kinder und junggebliebene Erwachsene. Es ist voller Rätsel, die Logik ist außer Kraft gesetzt, die Spielregeln sind nicht zu durchschauen. Alice macht das zunächst Angst, sie muss sich in dieser Welt bewähren, gewinnt aber zunehmend an Sicherheit. Und als sie ohne Zeitverzögerung auf der Familienfeier auftaucht, ist sie eine andere. Man könnte sie sich doch glatt zum Vorbild nehmen in den Krisen der heutigen Zeit.

Christian Pagel