Theatergruppe: Lara will absolut nicht sterben

Ein Tatort zur ungewohnten Stunde

Sonntag, 20.15 Uhr, ist in vielen deutschen Wohnzimmern Tatort-Zeit – normalerweise! Zur außergewöhnlichen „Sendezeit“ an einem Freitag und einem Samstag um 19.00 Uhr trat die Theatergruppe des Ringeisen-Gymnasiums der St. Josefskongregation mit ihrem neuesten Stück im Ringeisensaal auf: „Tatort: Lara will absolut nicht sterben! Die Folge, die noch nicht gesendet wurde“ von Peter Haus. Inszeniert wurde es von dem Deutschlehrer Markus Zick, der die Gruppe leitet, zusammen mit Schauspielerinnen und Schauspielern der 6. bis 11. Jahrgangsstufe.

Das Publikum konnte an diesen Abenden quasi live den völlig chaotischen Werdegang einer Fernsehproduktion mitverfolgen, war also gefordert, immer auf zwei Ebenen zu denken: zum einen im Theaterstück selbst, zum anderen im Stück, von dem dieses Theaterstück handelt, nämlich der „Folge, die noch nicht gesendet wurde“. Das war durchaus herausfordernd. Umso mehr war es zu bewundern, dass den Kindern und Jugendlichen die Darstellung dieser Doppelbödigkeit ausgezeichnet gelang.

Was braucht’s für einen gelungenen Krimi? Natürlich eine Straftat, am besten ein Mord in einer schaurigen Umgebung, hier in einer dunklen Gasse voller Mülltonnen und Müllsäcke; dann ein Opfer aus reichem Hause, in diesem Fall Lara Tod, 17 Jahre jung und zum Verdruss ihrer Mutter Martina Alleinerbin des väterlichen Vermögens. Natürlich durfte eine Reihe von Verdächtigen nicht fehlen, daher wurden Szenen aus dem Junky- und Dealermilieu eingebaut. Die Aufmerksamkeit wurde – wie im richtigen Krimi – erst einmal auf die falschen Personen gelenkt. Weil die ermittelnde Hauptkommissarin Hella Bock – selbstverständlich alleinerziehend – auch noch privat Schwierigkeiten mit ihrer pubertierenden 13-jährigen Tochter Kim hat, war die Liste der gängigen Klischees schon sehr gut gefüllt. Doch in diesem Stück wurde zur Freude des Publikums noch dicker aufgetragen: Die wichtigtuerische Pathologin Clara schloss zahlreiche mögliche Todesursachen aus, zum Beispiel eine Vergiftung, weil das Opfer nicht süßlich roch, kam aber erst nach vielen Anläufen und Untersuchungen wegen der Schusswunde nahe beim Herzen auf den naheliegenden Punkt: Lara ist erschossen worden. Nicht fehlen durfte auch die Staatsanwältin, die ständig Druck machte, weil die Presse endlich Informationen verlangte und hochgestellte Persönlichkeiten eine schnelle Aufklärung forderten. Verhöre und Diskussionen bei der Polizei, der übereifrige Einsatz des Assistenten der Ermittlerin und erneute Tatortbesuche wechselten sich ab. Das Mordopfer selber geisterte immer wieder durch die Szenen und machte durch vorlaute Kommentare auf sich aufmerksam.

Nach vielen Turbulenzen wurde schließlich klar, was ja eh schon alle wussten: Butler Boris Kill hatte im Auftrag der Mutter das Töchterchen Lara erschossen, um an das Erbe heranzukommen. Dass Motiv und Mörder bereits innerhalb der ersten Minuten bühnenwirksam und plakativ preisgegeben wurden, machte den besonderen Reiz dieses Stückes aus. Das Publikum war ganz davon befreit, sich um das Ergebnis der Aufklärung des Falles Gedanken zu machen. Stattdessen fieberte es mit der kompletten Mannschaft in der zentralen Frage mit: Wird in all dem gekonnt inszenierten Chaos überhaupt eine Aufklärung möglich sein? Den jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspielern gelang es dabei treffend, die Spannung aufrechtzuerhalten. Eine hohe Bühnenpräsenz, Textsicherheit und große Freude am Spiel mit Wortwitz und Situationskomik wurden zum Schluss mit reichlichem Applaus belohnt.

Christian Pagel