Unbewusst verwoben –
Schimmelpfennigs „Auf der Greifswalder Straße“ im Kellertheater
Am 06., 07. und 08. März 2020 brachten die Oberstufenkurse Theater und Film unter der Leitung von Herrn Sebastian Eberle mit „Auf der Greifswalder Straße“ von Roland Schimmelpfennig, der der meistgespielte deutsche Gegenwartsdramaturg ist, ein zeitgenössisches Theaterstück auf die Bühne – in diesem Fall die Bühnen – in den historischen Gewölben des Ringeisen-Gymnasiums. Denn um das Panoptikum des Großstadtlebens mit seinen kurzlebigen und schnell wechselnden Schauplätzen adäquat in Szene zu setzen, wurde Schimmelpfennigs kollagenartig strukturiertes, erst 2006 uraufgeführtes Stück dem Publikum auf sieben verschiedenen, im gesamten Raum verteilten Bühnen in schneller Abfolge dargeboten. Hierdurch war dem Publikum ein bruchloses und hautnahes Erleben des Dargestellten möglich.
Ein Mann ohne Hund, eine Rockerin, zwei Kassiererinnen (hervorragend gespielt von Carmen Klimkeit und Madlen Reitmeier), drei Rumänen, ein Obstladenbesitzer, drei Bauarbeiter, ein Liebespaar und viele mehr formten das Personeninventar von Großstadtmenschen, welches sich scheinbar zufällig und unzusammenhängend auf der Greifswalder Straße begegnet. Doch in der Entfaltung des Stückes kristallisierte sich zunehmend ein vorhandener Zusammenhang heraus, der sich um den Handlungskern herum aufbaut: Der Gemüsehändler Rudolf (überzeugend dargestellt von Felix Fischer) verliebt sich quasi willenlos in die Aushilfe Maika (ausdrucksstark von Franziska Hehlinger gespielt), welche für ihre von einem Hund, der von seinem Herrchen gesucht, aber nicht gefunden wird, gebissene Freundin (eindrucksvoll von Laura Schneider verkörpert) einspringt. Auch eine weitere „Liebesgeschichte“ offenbart einen Zusammenhang zur Tätigkeit dreier Bauarbeiter, die wiederum nicht um die Bedeutung ihres Fundes, eines Silberlöffels, wissen, welcher aber von zwei weiteren Darstellern – einer dünnen Frau (gefühlvoll von Laura Micheler in Szene gesetzt) sowie eines alten Russen, erzählend hergestellt wird. Durch dieses dramaturgische Vorgehen zeigt sich einerseits die Ambivalenz der menschlichen Existenz, da die gemimten Personen changierende Existenzen sind, die zwischen Erzählen über sich und andere sowie Spielen hin und her springen können. Andererseits wird durch diese Raffinesse des Stückbauplanes und auch durch das Vorkommen von „magischen“ Elementen ebenfalls deutlich, dass unsere Gegenwart in ihren biographischen wie überzeitlich zufällig auftretenden Ereignissen doch einen geheimnisvollen Zusammenhang oder wenigstens wundersame Fügungen bergen könnte.
Das so entstehende menschheitsparabelhafte Schauspiel zeigt also grundlegende Facetten der menschlichen Existenz, weist aber nicht zuletzt aufgrund der sich aufdrängenden Bezüge zur aktuellen Ausnahmesituation hinsichtlich des Coronavirus – Stichwort Infektionsketten – auch tagesaktuelle Relevanz auf, da subtil gezeigt wird, dass man – auch ohne es zu wissen – durchaus immer in Interaktion bzw. Interdependenz mit seinen Mitmenschen steht.
Dem dreiunddreißigköpfigen Ensemble mit Theaterneulingen der Q11 sowie der erfahrenen Schauspielgruppe der Q12 gelang es alles in allem in begeisternd bravouröser Art und Weise die inszenatorische Herausforderung dieses durchaus experimentellen Stückes mit anspruchsvollem Inhalt, bei dem aber auch unterhaltsame Elemente (Bauarbeiter Maximilian Greiner und Ferdinand Naß) nicht fehlten, zu meistern. Dies lag zum einen an überaus beachtlichen Einzelleistungen (hier sind neben anderen auch Helen Gramminger, Hannah Böck und Elias Schmid auch Andrea Miller sowie Paulina Freisinger zu nennen), aber auch an der beeindruckend überzeugenden Gemeinschaftsleistung bei der ansprechenden sowie kurzweiligen Inszenierung.