Mankell im Kellertheater

Über Wahnsinn und Wahrhaftigkeit

„Schön, dass Sie sich das getraut haben!“, das war wohl einer der schönsten Sätze, die das Ensemble des Kurses Theater und Film unter der Leitung von Lucia Mehr am vergangenen Wochenende bei der Verabschiedung der Zuschauer zu hören bekommen hat. Und das vor allem, nachdem, wie die Lehrerin selbst zur Begrüßung gesagt hat, es ein harter Weg hin zur Entscheidung war, dieses kalte, grausame und doch so wahrhaftige Stück zu spielen.

So mancher Zuschauer musste wohl in diesem sehr modernen Stück hier und da schlucken, was nicht nur an dessen dramaturgischer Undurchsichtigkeit lag – die klassische Einheit von Ort, Zeit und Handlung wurde hier nämlich völlig aufgelöst und von einer anfangs scheinbar wahllos zusammengewürfelten Abfolge von Szenen, die sich immer wieder absurd auflösen, abgelöst – sondern eben auch an seiner Story.

Ein Stück über drei Obdachlose, das der Gesellschaft den Spiegel vor Augen hält und zeigt, dass es eben nicht genügt, nur auf die Oberfläche zu achten und die tatsächliche Realität meist tiefer liegt, ist eben doch nicht so leicht zu verkraften. Lukas (schaurig schön umgesetzt von David Müller), Harry (ergreifend ehrlich und facettenreich gespielt von Fabian Böck) und Anna (unter die Haut fahrend dargestellt von Celine Pfaudler) leben nämlich nicht nur einfach auf der Straße, weil sie ihr Leben nicht „gebacken“ bekommen haben, sondern weil ihnen eben dieses übel mitgespielt hat. Während Lukas versucht, seine Abneigung gegen seinen Erzeuger in gewaltsamen Gedichten zu verarbeiten, hadert Harry mit seiner Hassliebe zu seiner Familie, die ihn nicht mehr haben möchte, weil er schwul ist. Lukas bekommt durch die Verlegerin Frida Ingmarson (Ariana Wolf) die Chance, seine Gedichte zu veröffentlichen, jedoch kommt er damit nicht zurecht, dass diese weder an seiner Persönlichkeit, noch an seiner Geschichte interessiert ist, die aber zentraler Bestandteil seiner Werke sind. Harry hingegen wird von seiner Schwester (Katharina Gleich) und seiner Mutter (Lisa Jochum) aus dem Familienunternehmen gedrängt und rutscht in schlechte Kreise ab, die ihn immer weiter von seiner Familie entfernen. Zuletzt Anna, die nicht nur vor ihrem gewaltbereiten Ehemann (Anno Floegel) geflohen ist, sondern auch ihre achtjährige Tochter zu Grabe tragen musste, wodurch sie selbst zur Mörderin geworden ist. Ihre Mutter (Sarah Kraft) drängt sie immer wieder zu einem „normalen“ Leben, doch Anna ist dazu nicht mehr fähig.

Alle drei landen durch ihre Erlebnisse auf der Straße, werden obdachlos und denken anfangs nur an sich sie bilden eine reine Zweckgemeinschaft, doch nach und nach erzählen sie sich ihre Geschichten und knüpfen so zarte Bande, die ihnen helfen zu überleben, denn nur gemeinsam – so die Botschaft der Regisseurin – kann man so schreckliche Erlebnisse überstehen.

Die herausragenden schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten wurden durch den großen Applaus und viel Lob bei der Verabschiedung belohnt. Leider ist dies das letzte Stück „der Großen“, die für das Stück im März vor allem die Regieassistenz übernehmen werden, um „die Kleinen“ an die Schauspielerei heran zu lassen.

Lucia Mehr