Manege frei!

Zirkus Herzblut

Mittelschwäbische Nachrichten, Montag, 19. März 2018; von Stefan Reinbold

Schüler des Ringeisen-Gymnasiums führen ein leidenschaftliches und buntes Spektakel im Zelt auf. Mit toller Musik und atemberaubenden Akrobatikeinlagen können es die Ursberger locker mit den Profis aufnehmen.

Den Zuschauern stockt der Atem, als das Mädchen mit den kurzen dunklen Haaren senkrecht entlang eines dicken roten Tuchs wie eine Garnrolle, die man am falschen Ende hält von der Decke in Richtung Boden stürzt. Knapp vier Meter über dem Boden stoppt sie, lächelt ins Publikum und klettert wieder nach oben. Alles wirkt so leicht, als wäre das, was die Mädchen da hoch über den Köpfen der Zuschauer zeigen, ein Spaziergang auf dem Mond. Dabei weiß jeder, der schon einmal nur ein paar Sekunden an einem Seil hing, was das für ein Kraftakt ist, welche Körperspannung man braucht, um dabei auch noch zu lächeln. Umso beeindruckender, wenn man weiß, dass hier keine professionellen Artisten am Vertikaltuch ihr Programm zum Besten geben, sondern Schülerinnen.

Mit ihrem Zirkus ist den Schülern und Lehrern des Ringeisen-Gymnasiums Ursberg erneut der Beweis gelungen, dass Schule mehr ist als Mathe, Bio oder Sprachen lernen. Allein das mächtige, rot-gelb gestreifte Zirkuszelt vermittelt echte Zirkusatmosphäre. Popcornduft und aufgeregtes Geklimper der Musiker wabert durch das Zelt. Die Aufregung im Zelt ist mit Händen zu greifen. Hie und da schwirren als Clown verkleidete Schüler mit roten Nasen und übergroßen Tweedjackets an den schier endlos ins Zelt strömenden Zuschauermassen vorbei. Es kostet die Organisatoren einige Mühe, allen Besuchern am Freitagnachmittag einen der 350 Sitzplätze im Zelt anzubieten. Der Andrang ist schlicht zu groß, weshalb am Samstagnachmittag noch eine Zusatzvorstellung anberaumt wird. Die Akteure in der Manege, im Orchestergraben und hinter den Kulissen rechtfertigen das rege Interesse mit einer grandiosen Show.

Man bemerkt aber auch die Routine

In zwei Stunden wird hier ein Gesamtkunstwerk entfaltet, ein Feuerwerk aus bunten Farben, Lichteffekten, berührender Musik und spannenden Akrobatikeinlagen durch Trapezkünstler oder am Vertikaltuch. Einradfahrer, Ballkünstler und unglaublich flinke Jongleure zeigen die ungeheure Bandbreite, die in dem Nachmittagskurs „Akrobatik“ angeboten wird.

Man bemerkt aber auch die Routine, die in knapp 25 Jahren Sportshow gesammelt wurde, selbst wenn im Zirkuszelt zumindest mit der Örtlichkeit eine Premiere verbunden ist. Da bleibt sogar für detailverliebten Slapstick, etwa als Schüler, die im Pandakostüm Saltos über einen Kasten machen, beim Zurücklaufen synchron mit dem Pandahintern wackeln. Kunst, Musik und Tanzeinlagen der verschiedenen Gruppen greifen nahtlos und wie selbstverständlich ineinander. Die Tänzer und Tänzerinnen von HipHop und Breakdance über den Cabaret-Stil und Frank Sinatras „New York“ bis zum Tanz zu einer klassischen Version des LinkinPark-Hits „Numb“, die wie eine Reminiszenz an den im vergangenen Jahr verstorbenen Sänger Chester Bennington wirkt, sorgen für Abwechslung und setzen eigene Akzente im Programm.

„Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut“, versichert Schulleiter Georg Gerhardt der zusammen mit Hauptorganisator Werner Tenta die Manege freigibt. Das sieht man. Selbst wenn die Kunststücke im „echten“ Zirkus ausgefeilter und professioneller sein mögen, mehr Herzblut, mehr Gänsehaut und mehr Unterhaltung gibt es dort nicht.