Am 13., 14. und 15. April 2018 brachten die Oberstufenkurse des Dramatischen Gestaltens unter der Leitung von Sebastian Eberle eines der erfolgreichsten deutschen Theaterstücke auf die Bühne des Kellertheaters am Ringeisen-Gymnasium der St. Josefskongregation Ursberg: „Andorra“ von Max Frisch. Das dreiundzwanzigköpfige Ensemble meisterte die Herausforderung, dem Publikum das sehr anspruchsvolle Theaterstück, das den vorurteilsbehafteten und klischeebedingten Umgang der Menschen miteinander als allgemein menschlichen Fehler behandelt, zu präsentieren.
Das 1961 uraufgeführte Stück handelt von dem Judenjungen Andri (Maximilian Weilbach), der mit seiner Schwester Barblin (Carolin Sandner) und seinen Adoptiveltern (Tanja Seitz und Alexander Zimmer) in dem fiktiven Kleinstaat Andorra lebt. Da die andorranische Gesellschaft von antisemitischen Vorurteilen durchsetzt ist, spitzt sich die Lage um Andri – der sich überzeugend gespielt zunehmend verunsichert zeigt – auf der Bühne zu.
Der widerwillige Tischler (Daniel Mairhörmann) und sein hinterlistiger Geselle (Uta Sirch) versuchen Andri seine Tischlerlehre auszureden, indem sie ihm, durch ihre Stereotype indoktriniert, immer wieder sagen, er habe das Tischlern nicht im Blut. Aber auch von anderen Seiten, z.B. durch die vorurteilsbehafteten Äußerungen der Doktorin (Tina Endres) oder die Beleidigungen des Soldaten Peider (Alexander Dempf), wird Andri mit vorgefertigten Bildern von sich selbst konfrontiert. Als schlussendlich auch noch der Pater (Florian Kramer) in mehreren Gesprächen auf Andri Einfluss nimmt, erkennt er seine „Identität“ – ganz im Sinne einer self-fulfilling prophecy – an.
Andris Situation in Andorra beginnt zu eskalieren, als er um die Hand Barblins anhält, aber von seinem Pflegevater aus noch unklaren Gründen zurückgewiesen wird. Durch das Auftreten der geheimnisvollen Senora – sehr gefühlvoll von Sabrina Schmid gemimt – die sich sehr bald als leibliche Mutter Andris entpuppt, wird klar, dass Andri kein Jude ist. Den Andorranern gelingt es jedoch nicht, ihre eingefahrenen Ansichten zu verändern, was letzten Endes dazu führt, dass Andri von seinen Mitbürgern nach der Eroberung Andorras durch die antisemitischen „Schwarzen“ als Jude denunziert wird. Das berührende Ende des Dramas stellt eine Judenschau dar, in der ein Judenschauer, welcher durch Paula Linhart ausdrucksstark und authentisch dargestellt wurde, Andri als Juden „identifiziert“ und ihn abführen lässt. Im emotional zugespitzten letzten Bild gelang es in der gemeinschaftlich brillanten Leistung des Ensembles vor allem Jennifer Schuster (Wirt) sowie Tanja Seitz (Mutter) die ergreifende Stimmung eindringlich zu transportieren.
Die rahmende Inszenierungsidee, folgte dem Gedanken, dass alle Andorraner sprichwörtlich Blut an den Händen kleben haben, obwohl sie immer wieder jegliche Schuld an Andris Schicksal von sich weisen – ihre Hände also in Unschuld waschen möchten. Dies wurde optisch wirksam veranschaulicht, indem das vorher weiße andorranische Bühnenbild sukzessive von den Darstellern mit an ihren Händen klebendem Blut verschmiert wurde.
Durch den Applaus sowie die positiven Rückmeldungen der zum Nachdenken angeregten Zuschauer wurden die Schauspieler für die intensive Probenarbeit und die Mühen bei der eindrucksvollen Umsetzung des sehr „schweren Stoffes“, der auch sehr aktuelle Bezüge hat, belohnt.
