Kriminalkomödie im Kellertheater
„Nichts ist trügerischer als eine offensichtliche Tatsache“, belehrt der Meisterdetektiv Sherlock Holmes gern seinen Freund und Mitarbeiter Dr. Watson, sobald dieser voreilige Schlüsse zieht. Doch eines ist in der Tat offensichtlich zu Beginn dieses Stückes, das zwei Kurse im Fach „Theater und Film“ der 11. und 12. Jahrgangsstufe unter der Leitung von Sebastian Eberle im Kellertheater des Ringeisen-Gymnasiums der St. Josefskongregation aufführten: Sherlock Holmes langweilt sich – und zwar gewaltig! Nicht ein spannender Fall ist in Sicht. Sein außergewöhnliches Hirn lechzt nach komplizierten Rätseln. Und dann hat sich Dr. Watson auch noch verlobt und träumt von der bevorstehenden Hochzeit mit seiner geliebten Mary. Doch es dauert nicht lange und schon gibt es „Neue Fälle für Sherlock Holmes“. Die Theaterautorin Cornelia Wagner hat Material des Schriftstellers Arthur Conan Doyle (1859 – 1930), des Erfinders der Figur des Sherlock Holmes, zu einer rasanten Kriminalkomödie verarbeitet, die in Ursberg dreimal vor vollem Haus aufgeführt wurde. Damit feierte das Kellertheater seine Wiedereröffnung nach zwei Jahren Corona-Pause gleich mit zwei neuen Inszenierungen. Vorangegangen war ein paar Tage vorher das Märchen „Die Schneekönigin“.
Und was weckt nun Holmes‘ Jagdinstinkt? Da ist einmal ein geheimnisvoller Gast, der sich als Graf von Kramm vorstellt, von Holmes jedoch schnell als König von Böhmen enttarnt wird. Sein Problem: Er steht kurz vor der Hochzeit, hat jedoch Angst, von einer gewissen Irene Adler erpresst und bloßgestellt zu werden. Es existiere nämlich, so berichtet er, ein kompromittierendes Foto von ihr und ihm. Dieses Bild, so sein Auftrag, solle Holmes sicherstellen und ihm übergeben. Der Meisterdetektiv setzt daraufhin alle Hebel und seinen ganzen Spürsinn in Bewegung, inszeniert sogar einen Tumult mit fingiertem Feueralarm in ihrem Haus, doch die überaus raffinierte Irene Adler durchschaut ihn und kann sich mit dem Bild ins Ausland absetzen. Pech gehabt? Nicht ganz, denn sie teilt überraschend mit, dass sie auf die Erpressung verzichtet.
Im zweiten Fall, den Holmes zu Watsons Entsetzen gleichzeitig – wie gesagt, sein Hirn hat Entzugserscheinungen – behandeln will, wendet sich Inspektor Lestrade an ihn, weil die Polizei in einem verzwickten Mordfall nicht so recht weiterkommt. Charles McCarthy, der Pächter eines Hofes, ist ermordet worden, doch der mutmaßliche Mörder, sein Sohn James McCarthy, beteuert seine Unschuld. Holmes findet heraus, dass der Gutsbesitzer Mister Turner, dessen Tochter Alice James McCarthy liebt, und das Mordopfer durch eine dunkle, geheimnisvolle Geschichte aus ihrer Goldgräber-Vergangenheit verbunden sind. Der todkranke Mister Turner legt daraufhin gegenüber Holmes ein Geständnis ab, das dieser sich auch unterschreiben lässt. Holmes lässt ihn unbehelligt ziehen – in der Hoffnung, die Unschuld des jungen Verdächtigen beweisen zu können.
Der äußerst gelungene Theaterabend bot Stoff zum Nachdenken über Schuld, Sühne und unbewältigte Vergangenheit. Vor allem aber bereitete die Spielfreude der jungen Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich mit Begeisterung ihren Rollen zuwandten, ganz großes Vergnügen. Die Pointen in den Dialogen wurden treffend herausgearbeitet, Überraschungseffekte und Situationskomik sicher inszeniert. Abgerundet wurden die Aufführungen durch eine charakteristische Kostümierung, passend eingesetzte Ton- und Lichteffekte sowie ein aufwendiges, vielseitiges Bühnenbild. Von den Einnahmen der drei Abende spendeten die Kurse 300 Euro an die Ukraine-Nothilfe.