Der Zuschauer denkt, das Stück lenkt? – Schülerinnen und Schüler der Q12 bei Bertolt Brechts Mutter Courage und ihre Kinder

Man könnte statt des abgewandelten Brechtzitats aus dem gleichnamigen Stück auch mit dem Epilog des Guten Menschen von Sezuan resümieren: „Den Vorhang zu, alle Fragen offen.“ Alle Fragen? Nein! Aber vereinzelte Fragen bleiben.

Am 25. Oktober besuchten auf freiwilliger Basis insgesamt acht erwartungsfrohe Schülerinnen und Schüler der Q12 die Inszenierung des Brechtdramas Mutter Courage und ihre Kinder des Staatstheaters Augsburgs unter der Leitung von David Ortmann. Zuvor wurde der kulturelle Abend mit einem Abendessen im Riegele Wirtshaus am Hauptbahnhof Augsburg eingeläutet.

Das Fazit des Theaterabends fiel positiv aus. Sehr erfreulich ist die Fokussierung auf den Dramentext. Viele Inszenierungen leiden gegenwärtig an einem künstlich hergestellten Mehr an Effekten. In Augsburg konzentriert man sich auf das, was entscheidend ist: das Stück. Darin beeindruckten in den drei Stunden v. a. die gesangsstarke Ute Fiedler als Mutter Courage und der Feldprediger Gerald Fiedler, der so oft gerade immer die Fahne schwenkt resp. hisst, nach der sich politisch gerade der Wind im 30-jährigen Krieg dreht. Höchst spannend und ansprechend ist die Entscheidung, die im Original stets stumme Tochter Kattrin zu Wort kommen zu lassen: Anne Zander kommuniziert mit den anderen Figuren in Gebärdensprache. Und inhaltlich oft tiefgründiger als alle anderen. In Augsburg hat Kattrin wirklich was zu sagen!

Solch aktualisierende Glanzlichter dürften noch häufiger vorkommen. Einige Möglichkeiten bleiben ungenutzt, weil Gegenwartsbezüge zu undeutlich auftauchen. Sind die Soldaten in aktueller Uniform ausgestattet, um eine Verbindung zum derzeitigen Weltgeschehen herzustellen? Wählt der älteste Sohn Eilif primär deswegen das Militär, da er seiner Überbehütung und Bevormundung durch Mutter Courage endlich entfliehen möchte? Hier hätten mehr Klarheit und Courage gutgetan. Eher obsolet wirken die Kurzzusammenfassungen vor den einzelnen Szenen und der mitlaufende Text, wodurch der Blick gezwungenermaßen zwischen Geschriebenem und sprechenden Figuren hin- und herwechselt. Dabei lässt sich auch nicht verhindern, dass vermeintliche Fehler erkannt werden. Ob man sich vom Krieg oder Frieden gestört fühlt, ist nicht irrelevant. Soll es sich dabei um einen brechtschen Verfremdungseffekt handeln? Mancher Sprechakt weist ferner unnötige Pausen auf. Das irritiert v. a., wenn ein weltberühmtes Zitat wie „Der Mensch denkt, Gott lenkt“ einfach so dahingesprochen wird.

Der Thematik des Werks konnten die Schülerinnen und Schüler problemlos folgen. Dass es im Krieg letztlich keine Gewinner gibt, weil dieser sich nicht manipulieren lässt und beinahe zynisch nüchtern alle mit in den Abgrund reist, wurde mehr als deutlich. Und so kann man mit Blick auf die Zuschauer nochmal an den Epilog des Guten Menschen denken: „Wir sind zerschmettert und nicht nur zum Scheine! Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach: Sie selber dächten auf der Stelle nach […].!“ Das wäre in jedem Fall im Sinne Bert Brechts gewesen. Und das ermöglicht die Inszenierung auch ohne jeden Zweifel.

Dominik Koch